Wer im rheinhessischen Alzey und seinem eher gemäßigten Hügelland eine Burg besichtigen wollte, musste nicht weit laufen: Am nördlichen Ende des Bahnhofs „thronte“ auf Gleisniveau das Wärterstellwerk „An“ (Alzey Nord) und bewachte neben Weichen und Signalen die wellige Umgebung gen Armsheim sowie das Weichbild der eigenen Rheinhessen-Metropole. Wie eine Trutzburg stand es da, die Mauern tatsächlich meterdick, die schmalen Fenster des Spannwerk-Raums im Untergeschoss glichen Zinnen, darüber im Obergeschoss gab es sogar einen herauskragenden Ausguck für den Burgherren, der freilich „nur“ ein Weichenwärter war und möglichst den Anweisungen des Fahrdienstleiters zu folgen hatte, der vierhundert Meter weiter im Stellwerk „Af“ saß. Aber die Burg zu Alzey wurde abgerissen. Im Jahre 1927 in Betrieb genommen, hielten am 15. Februar 2008 selbst ihre meterdicken Mauern dem anrückenden Bagger nicht stand. Das benachbarte Fahrdienstleiter-Stellwerk „Af“, das übrigens mit der neuen E 43-Technik ausgestattet war und die Blockabhängigkeiten mit „An“ mit einer so genannten „Wuppertaler Schaltung“ herbeiführte, war bereits ein halbes Jahr früher dem Erdboden gleichgemacht worden. Der Abrissbagger hatte jetzt also auch mit der „Burg“, die von niemandem gekauft oder erhalten werden wollte, ein leichtes Spiel und nahm sogar eine alte Wunde im Stellwerks-Stahl in den großen Haufen von Schutt und Eisen mit: Im stählernen Unterbau des Blockkastens klaffte seit dem Zweiten Weltkrieg ein mehr als daumendickes und gut sichtbares Einschussloch, doch Kugeln und Geschütze konnten den eisern armierten Stellwerkseinrichtungen der Burg letztlich nichts anhaben. Ein einziger Bagger dann eben schon und kaum ein Reisender merkte fortan bei der Ein- oder Ausfahrt in Alzey, dass auch hier in Rheinhessen ein Kapitel Eisenbahngeschichte zu Ende gegangen war. Die Suche nach einer neuen Burg hier im gemäßigten Hügelland muss erneut begonnen werden, doch das Glück, eine solche bereits auf Gleisniveau zu finden, wird uns wohl nicht mehr vergönnt sein.
(Stellwerk "An" in Alzey, 24. Dezember 2005 / Foto: Joachim Seyferth)